Wieso Sie gerade jetzt einen Baum umarmen sollten!


    Mit spitzer Feder …


    (Bild: zVg)

    In Zeiten von Corona gibt es weder Händedruck noch Küsschen. Berührungsverbot, Besuchsverbot, Distanzgebot – der eindringliche Appell des Bundesrates lautet «Vermeiden Sie Kontakte». Am besten sollten wir ganz zu Hause bleiben und wenn wir doch mit jemandem in Kontakt kommen müssen, dann bitte mit mindestens zwei Meter Abstand. Dies führt dazu, dass wir uns zum ersten Mal bewuss werden, wann und wie häufig wir andere Menschen eigentlich nebenbei berühren – gerade, weil wir es eben nun vermeiden müssen. Vor Corona waren für die meisten zwischenmenschlichen Berührungen eine Nebensache, worüber sie sich nicht gross Gedanken machten. Indessen gibt es Menschen, die erleichtert sind, den bisherigen Umgangsformen zu entkommen, da sie Händeschütteln oder Umarmungen und Küsschen nie mochten – und eben nur mitmachten, weil es sich um ein gesellschaftlich etabliertes Ritual handelte. Ich gehöre in diese Gruppe Menschen. Ich mag nicht, wenn man(n) mir zu nahekommt. Schon immer habe ich mich gefragt, wieso ich bei jeder Gelegenheit die halbe Welt abküssen und umarmen muss. Dieses Begrüssungsritual, zum Teil fremde oder auch Menschen, die ich weniger gut kenne gleich in die Arme schliessen zu müssen, ging mir immer schon gegen den Strich. (Fremde) Bartstoppeln an meiner zarten Haut, unerträgliche Duftbotschaften von Mundgeruch über Schweiss bis hin zu abgestandenem Parfüm und kaltem Rauch sowie Schweisshände und eine Wolke flockiger Haarschüppchen – alles schon erlebt – sind einfach eklig und eine Zumutung. Ich kam immer öfters ins Dilemma: Denn die Teilnahme an solchen Ritualen wird erwartet, und wer sich dem entzieht, gilt als seltsam und läuft Gefahr, aufgrund dieses Verhaltens ausgeschlossen zu werden. Nun, Corona hat das Problem für mich gelöst – endlich! Und es ist momentan eine wahre Wohltat – niemand kommt mir zurzeit zu Nahe. Niemand schaut blöd, wenn ich mich weigere abgeküsst oder umarmt zu werden, ich muss keine Ausreden mehr suchen oder gar vortäuschen, ich sei erkältet.

    Etwas anderes sind Berührungen im engsten Kreis. Hier zeigt uns die gegenwärtige Lage wie wichtig zwischenmenschliche Berührung ist. Denn Berührungen können auf nonverbalen Ebene Emotionen und Stimmungen viel direkter vermitteln, als dies mit Worten üblich ist. Wir Menschen kommunizieren insbesondere Liebe und Mitgefühl am liebsten und leichtesten durch Berührungen. Die Pandemie führt allerdings dazu, dass wir das In-Berührung kommen mit unseren Mitmenschen – dazu gehören zum Teil auch unserer Liebsten – als etwas Gefährliches anzusehen. Wir sind nun in einer Phase, in der wir «Berührung und Nähe» mit «Gefahr und Angst» verbinden. Doch alles hat zwei Seiten: Wir können so zwischenmenschliche Berührungen neu zu schätzen lernen. Wir realisieren so, welche Menschen uns besonders nahestehen, da wir eben diese gerne einmal wieder in die Arme nehmen würden. Ebenso erfahren wir in dieser «Abstandsphase» hautnah, dass Berührungen ein menschliches Grundbedürfnis sind. Oder anders ausgedrückt: Der Abstand lehrt uns Nähe.

    Auch die Corona-bedingten digitalen Interkationen können ein Zusammensein im «real Life» niemals ersetzen. Diese Alternativen sind ein Trost, aber kein Ersatz. Sie hinterlassen ein unbestimmtes Gefühl von Leere und Unzufriedenheit. Berührungen schafft Nähe und Sicherheit, sie stärkt die Liebe, sie stärkt die Resilienz, das Immunsystem und das allgemeine Wohlergehen. Darauf sollten wir auch in Zukunft nicht verzichten.

    Momentan müssen wir uns allerdings mit Luftküsschen, einem herzlichen Lächeln hinter der Maske und strahlenden Augenkontakten begnügen – aber das ist doch auch viel Wert, solange es von Herzen kommt.

    Hier noch ein persönlicher Tipp zur aktuellen Lage: Haben Sie schon einmal einen Baum umarmt? Nein? Sollten Sie aber. Die wohltuenden Effekte der Natur und speziell des Waldes sind in Japan schon lang bekannt und führten zur Einführung des sogenannten «Waldbadens». Dabei handelt es sich um eine Naturtherapie, die auch in Europa immer populärer wird. Waldbaden betont die Verknüpfung des Waldspaziergangs mit Achtsamkeit. Das heisst, Sie sollen sich darauf konzentrieren, den Wald mit allen Sinnen zu spüren und wahrzunehmen. Dazu zählt auch, Pflanzen zu berühren und Bäume zu umarmen. Ich habe es kürzlich selber ausprobiert – und es hat funktioniert! Bäume haben eine heilende Wirkung auf unsere Seelen. Ihre Kraft und Energie sind einfach überwältigend, wir strömen direkt zurück zur Natur. Probieren Sie es aus – es tut einfach nur gut.

    Herzlichst,
    Ihre Corinne Remund
    Verlagsredaktorin

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